Aus der Reihe „schnelle Welt“ (Teil 2 von 3)
Seit geraumer Zeit ist der Begriff des Burnout-Syndroms in unseren westlichen Breitengraden in aller Munde. Auch wenn bereits Johann Wolfgang von Goethe den Meinungen einiger Literaturkritiker an einem Erschöpfungssyndrom gelitten haben soll, welches ihn bereits in jungen Jahren nach Italien hat fliehen lassen, so war der Begriff des Burnouts vor einigen Jahren noch kaum einem Menschen ein Begriff.
Doch was ist Burnout überhaupt?
Burnout ist keine klar definierte Krankheit. Vielmehr beschreibt der Ausdruck „Burnout“ im Allgemeinen die Folgen unseres immer schneller werdenden Lebens, das Gefühl des „Ausgebranntseins“.
Aus medizinischer Sicht wird in der Regel vom Burnout-Syndrom gesprochen und beschreibt umgangssprachlich einen Erschöpfungszustand in Kombination mit möglichen, ersten Anzeichen wie Kraftlosigkeit, Motivationstiefs und Müdigkeit – allgemein gesagt eine andauernde sowohl psychische als auch physische Erschöpfung, welche sich in schleichenden Phasen immer weiter ausbaut und in körperliche Schmerzen, Herzrhythmusstörungen, Tinnitus, Magengeschwüre, Angstzustände und Depressionen übergehen kann. Jedoch können bei jedem Menschen die Anzeichen unterschiedlich stark ausfallen.
Burnout-Anzeichen: 12-Etappen-Modell nach Freudenberger
Die Burnout-Symptome beschreibt auch der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, welcher im Jahr 1974 den Begriff des „Helfersyndroms“ bzw. später Burnouts erstmals in einer Publikation betroffener, emotional erschöpfter Menschen im sozialen Dienst erwähnte. Sein Modell gliedert die unterschiedlichen Stadien eines Burnouts in zwölf Etappen. Dabei sind die Übergänge fließend und nicht klar voneinander abgrenzbar, da sie bei jedem Menschen individuell verlaufen.
Die Grobeinteilung strukturiert sich in folgende Abschnitte:
1. Man entwickelt einen starken bis übertriebenen Ehrgeiz und Zwang sich zu beweisen.
2. Man stellt hohe Anforderungen an sich selbst und einen damit verbundenen hohen Arbeitsaufwand am Arbeitsplatz.
3. Die eigenen Bedürfnisse wie regelmäßiger Schlaf und Nahrungsaufnahme werden vernachlässigt.
4. Konflikte und Bedürfnisse werden bewusst verdrängt und überspielt.
5. Das eigene Wertesystem wird umgedeutet. Zudem werden wichtige Dinge wie Hobbies und soziale Kontakte vernachlässigt.
6. Probleme werden verleugnet, es entsteht Zynismus und zunehmende Intoleranz.
7. Man zieht sich sozial und emotional durch Desillusionierung und allgemeine Orientierungslosigkeit im Leben zurück.
8. Der Charakter verändert sich auffällig, man nimmt beispielsweise eine klare Abwehrhaltung gegenüber Kritik und auch Zuwendung ein.
9. Es kommt zu einem Wahrnehmungsverlust und der Verneinung der eigenen Persönlichkeit, eigene Bedürfnisse werden nicht mehr wahrgenommen.
10. Das Gefühl der inneren Leere und Nutzlosigkeit entsteht, das oft mit Hilfe von Suchtmitteln wie Alkohol oder Drogen betäubt werden soll.
11. Man gelangt in eine Depression, geprägt von Sinnlosigkeit, Erschöpfung und Gleichgültigkeit.
12. Es folgt die komplette geistige, emotionale und körperliche Erschöpfung, welche bis zum Suizid führen kann.
Wie kann es zu einem Burnout kommen?
Immer wieder sind die Aussagen der Betroffenen, dass der ständige Leistungsdruck in Kombination mit Zeitmangel besonders im Vordergrund stehen.
Seit Anfang der 90er-Jahre haben sich die Krankmeldungen auf Grund seelischer Beschwerden nahezu verdoppelt. Aus diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Stress am Arbeitsplatz als eine der Hauptrisikofaktoren unseres Jahrhunderts erklärt. Dazu zählen außerdem Schlafmangel oder Schlafstörungen und das anhaltende Gefühl, den Aufgaben des Lebens nicht mehr gewachsen zu sein.
All diese Faktoren üben auf Dauer einen solch immensen Druck auf die Psyche der Betroffenen aus, dass oftmals ein geregelter und organisierter Tagesablauf nicht mehr machbar ist – jede Aufgabe wird als zusätzliche Belastung wahrgenommen, was wiederum in einer noch stärker deprimierenden Phase der Erschöpfung und des Ausgebranntseins endet.
Wer ist besonders gefährdet?
Im Zeitalter der ununterbrochenen Reizüberflutung nimmt die Volkskrankheit Burnout stetig zu. Aus diesem Grund kann ein Burnout prinzipiell jeden treffen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 6-7% aller Arbeitenden, in manchen Risikogruppen aber bis zu 20% Burnout-Anzeichen aufzeigen.
Besonders betroffen sind:
- Personen in sozialen Berufen (z.B. Lehrer, Polizisten, Seelsorger, Pfarrer, Ärzte und Krankenschwestern)
- Personen, die privat Angehörige pflegen
- Führungskräfte
- Profisportler
Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Männer und Frauen sind in etwa gleichermaßen betroffen, wobei die Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen die absolute Spitzengruppe darstellt. Bereits ältere Studien zeigen unterschiedliche Reaktionen und Verhaltensmuster bei Männern und Frauen bei auftretendem Stress.
So wird bei Frauen als Antwort auf Stress das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das durch Wirkungen auf das Gehirn soziale Aktivitäten wie Beschwichtigung und das Suchen von Sozialkontakt begünstigt. Außerdem wird im Körper bei anhaltendem Stress Cortisolausgeschüttet, was wiederum sowohl bei Männern als auch bei Frauen unter anderem die Einlagerung von Fettzellen im Gewebe oder Verspannungen der faszialen Strukturen fördert. Außerdem scheint Östrogen die Wirkung von Oxytocin zu verstärken.
Derartige Untersuchungsergebnisse führen auch über in den Bereich der Psychologie: Hier ist bekannt, dass Frauen in Stresssituationen eher die Strategie „tend and befriend“(sich kümmern, behilflich sein) zeigen, während bei Männern vorwiegend die „fight or flight“-Reaktion (also Kampf und Aggression oder Flucht und Rückzug – z.B. auch in Verdrängung und Süchte) zu beobachten ist.
Diese Verhaltensmuster können mit den unterschiedlichen Lebensumständen von Männern und Frauen im Lauf der Evolution interpretiert werden. Männer gestehen sich Schwächen seltener ein als Frauen und suchen kaum oder erst zu spät ärztlichen Rat – so auch beim Burnout. Sie ignorieren ihre Krankheitssymptome stärker, was die Beschwerden wiederum schneller chronisch werden lassen kann. Dieses „Ausblenden“führt dazu, dass am Ende oft die Depression mit einer höheren Suizidgefährdung als bei Frauen steht.
Frauen hingegen wird bei Überlastung eher zugestanden, sich Hilfe und professionelle Unterstützung zu suchen. Außerdem gibt es „die beste Freundin“, bei der Frau sich alles von der Seele reden kann. Männer sprechen zum Beispiel beim Sport weniger über private Probleme, Ängste oder Überforderung im Job. Dies darf jedoch natürlich nicht pauschal, sondern individuell betrachtet werden.
Welche Maßnahmen kann man bei Burnout-Anzeichen ergreifen?
Im Netz lassen sich viele Angebote für Burnout-Kliniken, Kurhotels, Anti-Stress-Seminaren und ähnliches finden, was ein guter erster Schritt sein kann. Jedoch sind die Erfolgsaussichten fraglich, wenn beispielsweise ein 7-tägiger Kurhotel-Aufenthalt in den Bergen mit Yoga, Atemschulung und Wassergymnastik die eigentliche Ursache, eine fehlerhafte Lebensgestaltung, unverändert lässt. Zurück im Alltag verfällt man meist in alte Muster.
So kannst du einem Burnout entgegenwirken:
- Regelmäßige Selbstreflektion
- Bewahrung einer Work-Life-Balance
- Unterstützung durch einen Coach
Wie vermeide ich einen Burnout?
Um einen Burnout zu vermeiden oder zu behandeln, ist die oberste Regel, dass man nicht die Symptome behandelt, sondern die Ursache des Problems optimiert. Ein eingeschränktes Bewusstsein auf bestimmte Situationen und Lebensbereiche ist schließlich der Verursacher und Kern der gesamten (Burnout-)Problematik – und auch anderer Lebensbereiche.
Unabhängig davon, ob folgende Fragen in einem Coaching oder einer Selbstreflexion laufen, sollte über Allem die Frage stehen: „Lebe und gestalte ich mein Leben wie ich es mir wünsche?„. Denn kann diese Frage nicht mit „Ja“ beantwortet werden, ist eine gestresste Psyche nur noch eine Frage der Zeit.
Ergänzend dazu sollte man sich folgende Fragen stellen:
- Wo stehe ich aktuell im Leben und wo soll es hingehen?
- Was sind meine Ziele und Prioritäten?
- Bin ich glücklich bzw. was macht mich glücklich?
- Nehme ich mir ausreichend Zeit für mich selbst?
- Nehme ich mir ausreichend Zeit für Familie und Freunde?
- Ernähre ich mich gesund?
- Bewege ich mich ausreichend in der Natur und treibe ich ausreichend Sport?
- Ziehe ich klare Grenzen in der Arbeit und sind meine dort gesetzten Ziele umsetzbar?
Die richtige Balance finden
Abgesehen von diesen Fragen, welche der eigenen Weiterentwicklung und Förderung des Bewusstseins dienen sollen, muss natürlich auch eine Umsetzung in der realen Tagesgestaltung stattfinden und das nach Erfolg strebende Ego hinten angestellt werden. Hier hat der Begriff der Work-Life-Balance im Laufe der letzten Jahre Einzug erhalten, welcher grundsätzlich nicht falsch ist.
Die sinnerfüllte Arbeit, die Zeit für sich selbst, Familie und Freunde sowie das ständige Überarbeiten und Optimieren der eigenen Denk- und Verhaltensmuster bildet also die Basis einer gesunden und stressresistenten Lebensstruktur.